Digitale Bedürfnisbefriedigung
Hast Du schon einmal von den Grundbedürfnissen des Menschen gehört? Menschen brauchen z.B. saubere Luft zum Atmen, gesunde Nahrung zum Essen, sauberes Wasser zum Trinken oder genug Schlaf zur Erholung. Es gibt aber auch psychische Grundbedürfnisse, die für ein gesundes Leben und dein Wohlbefinden wichtig sind.
Welche psychischen Grundbedürfnisse gibt es und was haben diese mit digitalen Medien zu tun?
Laut dem deutschen Psychologen Klaus Grawe sind vier psychische Grundbedürfnisse besonders wichtig:
Menschen versuchen, diese Grundbedürfnisse zu befriedigen und im Gleichgewicht zu halten. Wenn das nicht möglich ist, fühlen sie sich unwohl.
1. Bindung
Mit anderen Menschen in liebevollen und zuverlässigen Beziehungen zu sein, ist ein wichtiges Grundbedürfnis des Menschen. Das gilt z.B. für Beziehungen mit Familie, Freund:innen oder Partner:innen.
Das Bedürfnis nach Bindung kann auf verschiedene Weisen erfüllt werden. Zum Beispiel durch schöne Unternehmungen mit der Familie, Zeit mit Freund:innen oder einer Mitgliedschaft in einem (Sport-)Verein. Insgesamt geht es darum, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen und so akzeptiert bzw. geliebt zu werden, wie man ist. Man muss nicht immer viel Zeit miteinander verbringen, um sich verbunden zu fühlen. Wenn Menschen jedoch keine guten Beziehungen haben, können sie sich vielleicht einsam, missverstanden oder ausgegrenzt fühlen.
Digitale Medien bieten zahlreiche Möglichkeiten das Bedürfnis nach Bindung zu erfüllen. Soziale Netzwerke, Online-Videospiele und Plattformen wie YouTube ermöglichen es, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen. Sie bieten auch eine Menge Ablenkung und Spaß, die Menschen weniger einsam fühlen lässt.
Allerdings können digitale Freundschaften nicht alle Seiten von Bindungserfahrungen ersetzen. Wenn viel Zeit in der virtuellen Welt verbracht wird, kann es passieren, dass echte Freundschaften und gemeinsame Aktivitäten vernachlässigt werden. Langfristig kann das zu Einsamkeit und schlechter Laune führen.
Zu einer gesunden sozialen Entwicklung gehören echte, persönliche Verbindungen und gemeinsame Erlebnisse. Daher ist es wichtig, auch im analogen Leben Bindungserfahrungen zu machen und schöne Momente zu teilen.
Fällt dir etwas ein, das Du in der analogen Welt gerne mal mit Freund:innen erleben möchtest?
2. Selbstwert
Das Selbstwertgefühl ist wichtig für die psychische Gesundheit. Es beeinflusst, wie man sich selbst sieht und wie man mit Schwierigkeiten umgeht. Ein gesundes Selbstwertgefühl entsteht durch Selbstakzeptanz. Das bedeutet, dass man die eigenen Stärken erkennt und an die eigenen Fähigkeiten glaubt. Das Selbstwertgefühl kann gestärkt werden, indem man gut zu sich selbst ist, Geduld mit sich hat und sich weiterentwickelt. Das kann durch das Lernen oder Verbessern von Fähigkeiten, kreative Hobbies oder sportliche Erfolge geschehen. Auch Lob und Anerkennung anderer Menschen hilft dabei, das Selbstwertgefühl zu stärken. Wenn sich Menschen nicht gut genug fühlen oder an sich zweifeln, kann sie das traurig machen.
Digitale Medien bieten viele Möglichkeiten sich mit anderen zu vergleichen und Anerkennung zu bekommen. Zum Beispiel kann man in Online-Videospielen zeigen, wie gut man ist und sich mit Freund:innen messen. In den sozialen Netzwerken bekommt man durch Likes und positive Kommentare Bestätigung. Plattformen wie YouTube ermöglichen es, neue Dinge zu lernen und eigene Fähigkeiten zu zeigen. All das kann kurzfristig zu einem guten Selbstwertgefühl führen, weil man sich besser fühlt, wenn andere einen mögen oder loben.
Trotz der positiven Dinge im Internet sollte es nicht als einzige Quelle für das Selbstwertgefühl dienen. Die Anerkennung, die man online bekommt, ist oft eher oberflächlich. Virtuelle Erfolge und Likes sind nicht das Gleiche wie echte Erlebnisse in der analogen Welt. Wenn man sich ständig mit den perfekten Bildern im Internet vergleicht, kann das dazu führen, dass man sich schlechter fühlt. Daher ist es wichtig, auch im echten Leben nach Erfolgen und positiven Erfahrungen zu suchen. Der Aufbau von echten Beziehungen und Hobbies, die einem Freude bereiten, können das Selbstwertgefühl wirklich stärken!
Auf welche deiner Fähigkeiten bist Du besonders stolz?
3. Autonomie
Bei dem Bedürfnis nach Autonomie geht es darum, die Welt, um sich herum zu verstehen und sie beeinflussen zu können. Dazu braucht es Regeln und Grenzen. Diese funktionieren wie ein Kompass und helfen dabei, sich im Leben zu orientieren und sicher zu fühlen. Andererseits brauchen Menschen genug Freiheiten, um eigene Entscheidungen treffen zu können. Dieses aktive Handeln gibt Kontrolle über das eigene Leben.
Ein gutes Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Orientierung ist wichtig. Wenn das Bedürfnis nach Autonomie im Ungleichgewicht ist, fühlt man sich überfordert, verunsichert oder eingeengt.
Auch viele Online-Aktivitäten sind so aufgebaut, dass sie ein Gefühl von Kontrolle oder Orientierung vermitteln. So kann zum Beispiel die Handlung eines Spiels durch die Hauptfigur aktiv beeinflusst werden. Meist gibt es aber auch klare Regeln und Strukturen, die dabei helfen, sich zurechtzufinden. Soziale Medien bieten die Möglichkeit, ein Profil frei zu gestalten, Inhalte zu teilen und zu entscheiden, wer die digitalen Freund:innen sein sollen. Sie helfen auch dabei, interessante Dinge zu finden, indem sie passende Beiträge anzeigen. Diese digitalen Möglichkeiten können ein Gefühl der Autonomie vermitteln und kurz für ein gutes Gefühl sorgen.
Allerdings muss man vor allem in der realen Welt lernen, mit Unsicherheiten umzugehen und schwierige Entscheidungen zu treffen. Durch echte Erfahrungen und eine aktive Teilnahme am Alltag kann ein gesundes Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Orientierung hergestellt werden.
Was gibt dir Orientierung und Sicherheit in der realen Welt?
4. Spaß
Menschen haben das grundlegende Bedürfnis nach Spaß und schönen Erlebnissen. Klaus Grawe nennt dieses Bedürfnis „Lustgewinn“ und es funktioniert wie ein innerer Leuchtturm. Er zeigt, was einem Freude bringt und welche Wege zu guten Gefühlen führen. Folgt man diesem Licht, fühlt man sich glücklich und voller Energie. Unangenehme Erlebnisse hingegen sind wie dunkle Wellen, die Menschen lieber meiden. Die schönen Momente sind wichtig für das Wohlbefinden und helfen dabei, motiviert zu bleiben.
Digitale Medien können schnell für Spaß sorgen und dabei helfen, dem Alltag zu entfliehen. Spannende Spiele, unterhaltsame Influencer:innen und interessante Videos sind jederzeit verfügbar. Allerdings kann man nicht allen unangenehmen Dingen im Leben aus dem Weg gehen. Zum echten Leben gehört auch Hausaufgaben zu erledigen, Langeweile auszuhalten oder Streit zu klären. Denn Langeweile ist beispielsweise dafür wichtig, dass man kreative Ideen entwickeln kann. Wenn man nur über digitale Medien Spaß sucht, kann es passieren, dass man sich schneller von den unangenehmen Dingen des Lebens überfordert fühlt.
Es ist wichtig, alternative Wege zu finden, um mit Langeweile und unangenehmen Aufgaben umzugehen. Meistens fühlt es sich besser an, die unangenehmen Aufgaben zuerst zu erledigen. Danach hat man ein Gefühl der Erleichterung und des Erfolgs. Wenn man im Alltag eine gute Mischung aus spaßigen und notwendigen Aktivitäten hat, kann ein gesundes Gleichgewicht erreicht werden. Digitale Medien sollten nur eine von vielen Quellen sein, um Spaß zu haben. Es gibt eine Menge alternativer Aktivitäten im analogen Leben, die Freude bringen wie z.B. Sport treiben oder Musik machen.
Was macht dir in der realen Welt besonders viel Spaß?
Fazit
Oft versteckt sich hinter dem Grund, warum man digitale Medien nutzt, ein unbefriedigtes Grundbedürfnis. Und wie Du vielleicht schon gemerkt hast, kann man die psychischen Grundbedürfnisse über digitale Medien schneller befriedigen als in der analogen Welt. Für ein hochgeladenes Bild auf Social Media kriegt man zum Beispiel schneller oder mehr Komplimente, als man in der realen Welt für ein neues Outfit oder ähnliches bekommen würde. Es ist wichtig, eine Balance zwischen der Befriedigung von Bedürfnissen in der analogen und der digitalen Welt zu finden, damit das Leben abseits von Smartphone, Computer & Co nicht vernachlässigt wird.